Interview mit Direktor Roland J. Kottke zur Hessing Stiftung


"Die Hessing Stiftung lebt von den Menschen, die sie tragen!"
Interview mit dem Direktor der Hessing Stiftung Roland J. Kottke

Seit November 2020 ist Roland J. Kottke neuer Direktor der Hessing Stiftung. Nach seinem Studium der Rechtswissenschaften und Volkswirtschaft war er als Rechtsanwalt in einer internationalen Kanzlei, sowie in verschiedenen Konzernen der Telekommunikation und der Gesundheitsbranche tätig. Zuletzt war er Mitglied des Vorstandes der Agaplesion gAG, dem größten konfessionellen Träger mit über 100 Einrichtungen.

mehrbewegen: Herr Kottke, Sie haben in früheren Positionen verschiedene Rechtsformen von Unternehmen kennengelernt, auch im Gesundheitswesen. Was heißt es, wenn ein Klinikunternehmen unter der Trägerschaft einer Stiftung steht?

 

Roland J. Kottke: Im Gegensatz zu kapitalmarktorientierten Unternehmen, die womöglich noch an der Börse gelistet sind, sind wir nicht renditegetrieben. Wir sind in erster Linie für die Menschen da! Das heißt nicht, dass wir nicht wirtschaftlich agieren müssen. Wir erwarten eine Rendite, die unsere Investitions- und Innovationsfähigkeit erhält, müssen aber keine Gewinne ausschütten. Wir erhalten aber auch keine Unterstützung. Trotzdem finden es die Beschäftigten interessant, bei einer Stiftung zu arbeiten, weil wir ein attraktiver Arbeitgeber sind und uns an die Leittarifverträge halten. Wir zahlen mit dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst die besten Gehälter im Gesundheitswesen und haben sehr viele Leistungen darüber hinaus.

mehrbewegen (mb): Was ist das Besondere an der Hessing Stiftung?

Roland J. Kottke: Die Hessing Stiftung lebt von den Menschen, die sie tragen, die sich das Vermächtnis des Stifters Friedrich von Hessing zu eigen gemacht haben. Wenn ich mit unseren Medizinerinnen und Medizinern, unserem ärztlichen Direktor spreche, identifizieren sich diese sehr stark mit dem Stifter, insbesondere mit seiner Innovationsfähigkeit und seinem Weitblick. Das trägt mehr, als der kapitalgebundene Verbund von Aktionären, die von Jahreshauptversammlung zu Jahreshauptversammlung Rendite erwarten.

mehrbewegen: Welchen Zweck verfolgt die Stiftung?

 

Roland J. Kottke: Die Hessing Stiftung ist dem Gemeinwohl verpflichtet. Hessing wollte der breiten Bevölkerung helfen, ohne Ansehung der finanziellen Leistungsfähigkeit. Er hat ganz bewusst in sein Vermächtnis hineingeschrieben, dass auch mittellose Bürger versorgt werden und das zum Teil pro bono.

mehrbewegen: Viele Ziele der Stiftung wurden vor mehr als 100 Jahren formuliert. Sind diese Ziele heute noch umsetzbar?

Roland J. Kottke: Die Stiftungssatzung trägt nicht unbedingt den Erfordernissen einer modernen Unternehmensorganisation Rechnung. Aber die Ziele, die Hessing verfolgt hat, in der Versorgung von Kranken, in der Innovation, sind heute noch wegweisend. Er war ein Multitalent, hatte viele berufliche Ausbildungen, war Autodidakt. Das lebt in der Stiftung weiter. Unser Auftrag ist, dass wir uns ständig neu erfinden, am Puls der Zeit und innovativ sind. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beweisen täglich, wie leistungsfähig wir sind. Das ist die Fortsetzung seines Vermächtnisses.

mehrbewegen: Zur Besonderheit der Hessing Stiftung gehört, dass sie mit mehr als 1.400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nach der Zahl der Beschäftigten eine der größten Stiftungen in Deutschland ist. Wie kommt das?

Roland J. Kottke: Das Gesundheitswesen ist ein People Business. Ärztinnen und Ärzte, Pflegefachkräfte, erzieherisches und therapeutisches Personal, aber auch alle Beschäftigten in den anderen Bereichen, wie Küche, Reinigung und Technik versorgen gemeinsam unsere Patienten, Kinder und Kunden. Das ist sehr personalintensiv. Deswegen kommt, anders als bei einer Stiftung, die einen Bildungs- oder Förderauftrag hat, eine hohe Anzahl von Mitarbeitenden zustande.

mehrbewegen: Der gesamte Gesundheitssektor steht nicht erst seit der Pandemie großen Herausforderungen gegenüber. Welche Zukunftsfragen stellt sich auch Hessing?

Roland J. Kottke: Die Pandemie hat für viele Krankenhäuser in der Strukturdiskussion erst einmal Verschnaufen gebracht. Wir hatten massive Tendenzen in der Gesundheitspolitik, Strukturen zu verändern. Es gibt das dänische Modell, das auf große Zentren setzt. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung sagt, dass wir mit 660 Krankenhäusern in Deutschland auskommen. Der Rettungsschirm hat viele Krankenhäuser nochmal bewahrt, vor einem Aus oder einer finanziellen Schieflage. Trotzdem gibt es Strukturprobleme und diese Diskussion wird sich wieder entfachen.

Davon sind die Hessing Kliniken in erster Linie nicht betroffen. Wir betreiben sehr leistungsfähige Fachkliniken im Reha-Bereich wie in der Akutversorgung, die auf einem sehr hohen fachlichen Niveau arbeiten und in Zukunft werden wir auch die orthopädische Universitätsmedizin verantworten. Zudem ist unsere Geriatrische Rehabilitationsklinik mit 140 Betten sehr renommiert und mit dieser Größe auch sehr leistungsfähig.

Mit der Stiftungssatzung hat uns Friedrich von Hessing einen zuverlässigen Kompass hinterlassen, der uns sicher in die Zukunft führen wird.

mehrbewegen: Herzlichen Dank, Herr Kottke.

Interview mit Direktor Roland J. Kottke zur Hessing Stiftung