Kurze, krumme oder verdrehte Beine sind bei Kindern und Jugendlichen nicht außergewöhnlich. Jeder kennt den Begriff X- oder O-Beine. Medizinerinnen und Mediziner sprechen von Valgus- oder Varus-Fehlstellung. Eine solche Beinachsenfehlstellung ist eine Abweichung der Beine, insbesondere der Knie, von der normalen, physiologischen Achse. Zu solchen Fehlentwicklungen kann es bei Kindern und Jugendlichen in jedem Alter und jeder Wachstumsphase kommen. Die Ursachen sind vielfältig, so können neben angeborenen Fehlbildungen auch Stoffwechselstörungen, Übergewicht oder Schädigungen infolge eines Unfalls dafür verantwortlich sein.
Bei Säuglingen sind leichte O-Beine normal, beim Kleinkind sind X-Beine nicht außergewöhnlich. Bis zur Einschulung normalisiert sich das in den meisten Fällen. Es verwächst sich, wie der Volksmund sagt. Das ist allerdings leider nicht immer der Fall. Entscheidend ist es, mögliche Fehlentwicklungen frühzeitig zu beobachten und rechtzeitig zu erkennen, ob ein Handlungsbedarf gegeben ist.
Bei Fehlentwicklungen kann es ansonsten zu Beschwerden in Hüfte, Knie oder Sprunggelenk oder zu späterem Verschleiß kommen. In den meisten Fällen treten die Schmerzen dann im Kniegelenk auf, da hier die Abweichung von der Beinachse am größten ist. Meist ist das allerdings noch nicht im Kindesalter der Fall, sondern erst deutlich später. Je früher die Fehlentwicklung erkannt wird, umso einfacher kann diese behandelt werden.
Im Zweifel sollten Eltern ihren Kinderarzt oder ihre Kinderärztin konsultieren, welche bei Bedarf an eine Kinderorthopädie überweisen. Die Behandlung richtet sich nach Alter, Ursache und dem Ausmaß der Deformität. Bei kleinen Kindern kann konservativ mit Nachtschienen behandelt werden. Bei älteren Kindern kann das Wachstum auch durch operative Eingriffe gelenkt werden, um eine Beinachsenfehlstellung nach Wachstumsende zu vermeiden.
Operationen dieser Art sind heute Routineeingriffe und gehören in der Hessing Klinik für Kinder-, Jugendlichen- und Neuroorthopädie zum Tagesgeschäft. Wird die Fehlstellung rechtzeitig erkannt, kann die OP in Ruhe geplant werden und auf die individuelle Lebenssituation der Kinder Rücksicht genommen werden.
Eine solche Operation erfolgt idealerweise gegen Ende der Wachstumsphase, um vorher das natürliche Wachstumspotenzial auszunutzen. Die Wachstumsfugen müssen allerdings noch weit genug geöffnet sein. Bei dem Eingriff werden Plättchen mit Schrauben im Kniegelenk über die Wachstumsfugen verankert, die das Wachstum an bestimmten Stellen gezielt verzögern und so insgesamt eine langsame Korrektur der Achsenstellung ermöglichen.
Die Platten überspannen die Wachstumsfugen und bremsen hier das Wachstum, während die Gegenseite weiterwachsen kann. Die Implantate bleiben so lange im Körper, bis die gewünschte Korrektur erreicht ist. Das Gelenk ist in der Korrektur normal belastbar, so dass Kinder ihren gewohnten sportlichen Aktivitäten nachgehen können.
Dr. med. Andreas Forth
Chefarzt der Hessing Klinik für Kinder-, Jugendlichen- und Neuroorthopädie